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Lustige weiße Anzüge

Elouan Mouro, Lara Quaas & Miriam Smid

Sollten wir aufhören, individuelle Konsumentscheidungen auf die Goldwaage zu legen und anfangen, uns unserer kollektiven Wirkungsmacht bewusst zu werden? Ein Abriss, weshalb unnachhaltiger Aktivismus nachhaltig sein kann.

Dans cet article, les auteurs se posent la question suivante: pour une cause durable, est-il légitime d’utiliser des moyens peu respectueux de l’environnement? Ils présentent ici l’exemple d’une activiste écologiste obligée de consommer des produits à usage unique, ainsi que le dilemme moral qui a émergé en elle.

September 2020 in der Nähe von Köln. Die Taschen waren schon gepackt, die FFP2-Masken, Maler:innenanzüge, Rettungsdecken und Wasserflaschen wurden im Rucksack verstaut. Wann wir das letzte Mal derart viele Einwegprodukte konsumiert hatten, konnten alle nicht mehr rekonstruieren. Während des Frühstücks ein kleiner Befindlichkeitscheck und noch die letzten Details zur Aktion abgeklärt, dann starteten wir in die Ende-Gelände-Aktion.

Ende Gelände ist ein breites Bündnis, welches mit Aktionen des zivilen Ungehorsams gegen die Verstromung fossiler Energieträger für den Kohleausstieg und Klimagerechtigkeit kämpft. Die Verstromung von Braunkohle produziert 19% der in Deutschland erzeugten Treibhausgasemissionen – damit ist Braunkohle die CO2-intensivste Art der Energieerzeugung unter allen fossilen Energieträgern. Aber die Schäden sind noch viel weitgreifender: Grundwasserverseuchung, Gesundheitsschäden, Umsiedlungen von Anwohner:innen, Verwüstung von Landstrichen.

Braunkohle macht 19% des deutschen Energiemix aus (Foto: privat)

Da standen wir nun am Rande des Tagebaus Garzweiler und starrten in die Kohlegrube, die kein Ende zu nehmen schien. Über 3.000 Aktivist:innen blockierten an diesem Wochenende den fossilen Kapitalismus. In der Nacht kehrten wir durchgefroren und erschöpft wieder zu unserem Zeltlager zurück. Rettungsdecken, Masken und Anzüge landeten im Müll, bevor es in der Küfa („Küche für alle“) noch ein warmes Abendessen gab. Dabei hatten uns die Rettungsdecken auf der Aktion warm gehalten und auch Masken und Maler:innenanzüge waren essenzieller Bestandteil der Blockade gewesen. Haben wir nun unnötig Müll produziert? Vielleicht sollten wir aufhören, individuelle Konsumentscheidungen auf die Goldwaage zu legen und anfangen, uns unserer kollektiven Wirkungsmacht bewusst zu werden und auf anderen Ebenen zu agieren.

Fordert Nachhaltigkeit also manchmal unnachhaltige Entscheidungen?!

Protest kann verschiedene Formen annehmen (Foto: privat)