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Neuer grüner Anstrich

Henriette Hoppe, Alexander Karam & Elouan Mouro

Kurz vor Ende des Studytrips ist es so weit und wir steuern auf das Highlight des Seminars zu – das Treffen mit Éric Piolle, dem ersten grünen Bürgermeister einer französischen Großstadt.

Wir betreten das alte Rathaus ­– das heutige Maison Internationale. Besonders wir Deutschen sind teils erstaunt, teils überrascht von dem ungewohnten Ambiente – ein hoher stuckbesetzter Raum mit ausladendem Kronleuchter, großen goldgefassten Spiegeln und Gemälden sowie bodentiefen Fenstern erwarten uns im Innern. Keinesfalls ein Ort, an dem man einen grünen Bürgermeister erwarten würde. Aber bei französischen Politiker:innen jedweder Partei ist das Pompöse und Selbstdarstellende Normalität – Macron hat diese Attribute offensichtlich nicht für sich gepachtet, entgegen der geläufigen Annahme in Deutschland.

Nachdem der Bürgermeister von vier Frauen angekündigt wurde und wir dementsprechend viele Instruktionen erhalten haben, betritt er schließlich besagten Raum und es geht endlich los. Der Leiter der Heinrich Böll Stiftung Paris, Jens Althoff, leitet das Gespräch mit Piolle ein.

Die Gruppe zu Gast im Maison Internationale (Foto: privat)

In lebhafter Manier erzählt der Bürgermeister über die Aufgaben grüner Kommunalpolitik. In Grenoble sind seine Vorzeigeprojekte die Fahrradautobahnen, über die er stolz berichtet: „Es ist nicht die Frage, ob sie gebaut werden, sondern wo sie gebaut werden“. Außerdem stellt er sein gerade erschienenes Buch Grandir ensemble: Les villes réveillent l’espoir vor. Die große Politik wird dabei nicht außer Acht gelassen. Piolle hegt nämlich Ambitionen, bei den Präsidentschaftswahlen 2022 als Kandidat anzutreten. Seine Hauptforderungen: Dezentralisierung und Frankreich als grüne Avant-garde Europas: „Unsere Zukunft ist sicherlich nicht rosarot, aber dennoch ist sie die Zukunft und als solche ungewiss. Es ist also an uns aus diesem Ungewissen etwas Gutes und Lebenswertes zu machen. Wir können etwas tun!“ Spätestens hier merkt man: Er ist im Wahlkampf – seine Botschaft: Wenn ihr mich wählt, tut ihr etwas für eine bessere Zukunft. Aber warum wir? Es sitzen kaum französische Wahlberechtigte vor ihm. So ganz wird man das Gefühl nicht los, dass er ein bisschen an uns vorbei spricht. In schnellem Französisch spricht er in seine Maske, weshalb wir Deutschen kaum etwas verstehen, und auch die Franzos:innen berichten später, dass viel kommunales Detailwissen vorausgesetzt wurde. Schade. Bei der Beantwortung einiger von uns vorbereiteter Fragen wird schnell klar, der ganz große Europäer ist er nicht – es gibt wichtigere Themen.

Der Bürgermeister erzählt lebhaft von den Aufgaben grüner Kommunalpolitik (Foto: privat)

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Piolle viel in und für Grenoble getan hat. Das Ansehen der Stadt ist immens gestiegen, die Stadt ist moderner und natürlich grüner geworden. Trotzdem fällt es schwer zu verstehen, warum er beispielsweise den Kulturetat so drastisch kürzt, dass nun Theater, Orchester und Museum um ihrer Existenz Willen auf die Gunst von Sponsoren hoffen müssen.

Insgesamt machen seine Haltungen ein bisschen ratlos – stehen Themen wie Europa und Kultur der Verwirklichung einer nachhaltigen Umweltpolitik im Weg? Hoffentlich doch nicht.

Bei aller Kritik war es aber natürlich eine große Ehre für uns als Gruppe trotz seines sicherlich sehr vollen Terminkalenders diesen in Frankreich so bekannten und breit diskutierten Mann zu treffen. Schließlich hat er Grenoble einen neuen grünen Anstrich verpasst. Dass hinter ihm die einst grüne Wandfarbe abblättert, kann einem zum Schmunzeln bringen. Bleibt zu hoffen, dass sein Anstrich besser halten wird.

Gruppenfoto mit Éric Piolle, dem ersten grünen Bürgermeister einer französischen Großstadt (Mitte), und Jens Althoff, dem Leiter der Heinrich Böll Stiftung Paris (rechts) (Foto: privat)